Der Begriff "Alkoholerkrankung/Alkoholismus" ist ebenso wie "Alkoholabhängigkeit" nicht auf naturwissenschaftlich exakt objektivierbaren Sachverhalten beruhend. In der Praxis der Rechtsprechung wird allerdings nicht selten davon ausgegangen, dass bei der Beurteilung von Trunkenheitstätern Sachverständigen und Ärzten nur ein geringer Beurteilungsspielraum verbleibe. Dieses Missverständnis wird durch die neueste Ausgabe des Gutachtens "Krankheit und Kraftverkehr" noch gestützt. Eine der darin enthaltenen Forderungen ist die an den Arzt, eine Abhängigkeit "nachzuweisen". In diesem Gutachten werden als Kern der Abhängigkeitsbeurteilung nur zwei Abkürzungen - DSM-III-R und ICD-10 ohne Quellenangabe genannt. Damit einher geht die Gefahr einer unbegründeten Psychiatrisierung der Gesamtheit alkoholauffälliger Kraftfahrer. Zum Nachweis oder Ausschluss einer aktuellen oder früheren Alkoholabhängigkeit existiert kein spezifischer biochemischer oder körperlicher Befund-Parameter. Sämtliche Befunde sind lediglich geeignet, die Verdachtsdiagnose eines Alkoholismus zu erhärten oder weniger wahrscheinlich zu machen. Insgesamt erscheint das Gutachten "Krankheit und Kraftverkehr" im Hinblick auf alkoholauffällige Kraftfahrer durch Verwendung allzu euphemistischer Formulierungen über diagnostische Untiefen hinwegzugehen und ist dadurch weder hinsichtlich sachlicher Belege noch inhaltlicher Lücken wegen nachvollziehbar.
Abstract