Die Psychophysiologie des Schnellfahrens.

Author(s)
Bartl, G.
Year
Abstract

Ziel der Studie war die Untersuchung von etwaigen Korrelaten zwischen Geist und Körper bei Hochgeschwindigkeitsfahrten in einem Auto. Dieser Zusammenhang wurde während einer 15-minütigen schnellen Autofahrt untersucht. Zu Vergleichszwecken fanden dieselben Messungen auch bei einer 15-minütigen Langsamfahrt und einer Ruhebedingung statt. Analysiert wurden im Serum die Hormone Adrenalin, Cortisol, Dopamin, Endorphin, Serotonin, Testosteron und sowohl im Serum als auch im Speichel die Elektrolyte Natrium und Kalium. Mittels mobilem EEG wurden die kortikale Gleichspannung, Herzrate und Blutdruck (Pulstransitzeit) gemessen. Eine standardisierte Erfassung der psychologischen Erlebensdimension Lust/Unlust erfolgte durch Interviews. Testosteron wurde nur einmal in Ruhe gemessen, da es nicht so rasch veränderlich ist. Dieses Versuchsdesign wurde von 30 männlichen Versuchspersonen absolviert. Die Spitzengeschwindigkeiten lagen auf der abgesperrten Rennstrecke des Semperit-Testgeländes bei 180 km/h. Das Testfahrzeug verfügte über 150 PS, so dass spektakuläre Längs- und Querbeschleunigungskräfte erzielt wurden. Die Ergebnisse der multifaktoriellen Varianzanalysen zeigten keine statistisch signifikanten Veraenderungen zwischen Ruhe, Langsamfahrt und Schnellfahrt bei unabhängiger Betrachtung sämtlicher Hormonmittelwerte. Erst unter Einbeziehung der psychologischen Dimension "Lusterleben" versus "Unlusterleben" sowie des über den Median geteilten Testosteronspiegels stieg Endorphin bei jenen Personen signifikant an, die während der Schnellfahrbedingung starke Unlust (im Sinne von Angst bis leichte Übelkeit) empfanden. Mehrheitlich schilderten die Testpersonen die Schnellfahrbedingung lustvoll. Bei diesen Personen zeigte sich ein tendenzieller Endorphinabfall. Serotonin stieg bei Personen mit relativ geringem Testosteronspiegel signifikant an, fiel jedoch tendenziell bei Personen mit relativ hohem Testosteronspiegel. Weitere Wechselwirkungen wurden statistisch überprüft, bestanden allerdings nicht, vor allem auch nicht zwischen Fahrern und Beifahrern. Dadurch wird der mögliche Vorbehalt abgeschwächt, bei Fahrern würde sich das psychische Erleben und somit auch die vermuteten hormonellen Veraenderungen gänzlich anders darstellen als bei Beifahrern. Elektrolytanalysen im Speichel zeigten einen signifikanten Anstieg (p kleiner als .01) von Kalium bei der Schnellfahrt gegenüber der Ruhemessung und gegengleich einen Abfall (p kleiner als .05) von Natrium zwischen Ruhe und Langsamfahrbedingung sowie Ruhe und Schnellfahrt. Hingegen waren die im Serum gemessenen Elektrolytveraenderungen nicht statistisch signifikant. Bei den Ergebnissen der elektrophysiologischen Messungen war auffallend, dass hier sehr wohl ein signifikanter Unterschied zwischen Fahrern und Beifahrern objektiviert werden konnte Bereits die Langsamfahrt brachte bei den Fahrern einen deutlichen DC-shift in Richtung Negativität auf allen 3 Ableitungskanaelen (frontal, central, parietal). In der anschliessenden Schnellfahrt nahm die Negativität weiter zu, aber vergleichsweise gering. In der abschliessenden Ruhephase kam es zur Positivierung. Innerhalb der Gruppe der Beifahrer zeigte sich derselbe Verlauf, jedoch waren sämtliche Potentialshifts deutlich geringer ausgeprägt. Die Herzrate stieg während der Schnellfahrt bei den Beifahrern deutlich an, veränderte sich hingegen bei den Fahrern kaum. Der Blutdruck stieg zu Beginn der Schnellfahrt beibeiden Gruppen. Bei den Fahrern normalisierte er sich in den folgenden Minuten, hingegen blieb er bei den Beifahrern auf dem von Anfang an erreichten hohen Niveau. Zusammengefasst zeigte somit die Schnellfahrbedingung beiden Fahrern eine erhöhte kortikale Aktivierung, bei den Beifahrern hingegen eine Erhöhung der Aktivität des peripheren autonomen Nervensystems (Blutdruck, Puls). Eine systematische Veränderung der untersuchten Hormonkonzentrationen beim Schnellfahren ist jedoch aufgrund dieser empirischen Studie nicht gegeben. Daher liegt die Interpretation nahe, dass Lustgefühle beim Autofahren psychogenen Ursprungs sind, da sie nicht durch hormonelle Veraenderungen begleitet werden. Eine Suchtentwicklung nach schnellem Autofahren kann somit aus biologischer Sicht nicht angenommen werden. (A)

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Publication

Library number
C 10784 /83 / IRRD 332374
Source

Wien, Kuratorium für Verkehrssicherheit KfV, 1995, 143 p., 97 ref.; Lebensraum Verkehr, Kleine Fachbuchreihe des KfV ; Band 31 - ISSN 0075-7306

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