Typische Verhaltensweisen und Einstellingen älterer Fussgängern : Pilotstudie.

Author(s)
Biner, C. & Ewert, U.
Year
Abstract

Jeder Teilnehmer am Strassenverkehr ist zum einen oder anderen Zeitpunkt auch Fussgänger. Trotzdem wurde diese Zielgruppe in der Forschung weniger berücksichtigt als z.B. die Autofahrer. So beschäftigt sich KLEBELSBERG (1982) in seinem 300 Seiten starken Standardwerk zur Verkehrspsychologie lediglich auf 5 Seiten mit dem Fussgängerverhalten. Er betont die besonderen Verkehrseigenschaften der Fussgänger, die. eine hohe Anfangsbeschleunigung, geringe Trägheit und Spurstabilität aufweisen und daher die "am schwersten zu antizipierenden" (S. 112) Verkehrsteilnehmer seien. Es ist folglich nicht erstaunlich, dass Fussgänger häufig in Unfälle verwickelt smd. Laut BUNDESAMT FÜR STATISTIK (1992) wurden im Jahr 1991 in der Schweiz 2925 Fussgänger verletzt und 166 getötet. Dies sind 10,4 Prozent aller im Strassenverkehr Verletzten bzw. 19,3 Prozent aller Verkehrstoten. Der Fussgängerunfall ist also numerisch betrachtet nicht das grösste, aber ein recht bedeutsames Problem im Strassenverkehr: - Ein Viertel der Verletzten und knapp die Hälfte der Getöteten wurden nachts in Unfälle verwickelt. Die Unfallschwere ist jedoch bei Dämmerung oder Dunkelheit mehr als doppelt so hoch als bei Tag. Weiter ist eine deutliche tageszeitliche Schwankung zu registrieren. Von 14 bis 20 Uhr geschehen über 50 Prozent der Unfälle mit verletzten und getöteten Fussgängem. - 78,3 Prozent aller Fussgängerunfiille mit tödlichen Folgen geschehen innerorts, der Anteil der verletzten Fussgänger innerorts beträgt 92,5 Prozent. Dies ist ein Hinweis darauf, dass Unfälle ausserorts schwerer sind. Dennoch liegt der Schwerpunkt des Unfallgeschehens mit Fussgängem im innerörtlichen Bereich. - Die meisten Fussgängerunfiille mit Verletzten ereignen sich auf gerader, ebener Strecke (48,7 Prozent). Mit weitem Abstand folgen Kreuzungen (9,8 Prozent), gerade Strecke mit Gefü.J.le (9,2 Prozent) und Einmündungen (9,1 Prozent). Die Zahlen für die getöteten Fussgänger sehen ähnlich aus, allerdings scheinen die Einmündungen aufgrund der geringen Kollisionsgeschwindigkeit weniger gefährlich zu sein. - 40,6 Prozent der verunfallten Fussgänger wurden beim Queren der Strasse ausserhalb des Fussgängerstreifens verletzt, 44,0 Prozent getötet; auf Fussgängerstreifen wurden 36,9 Prozent der Verunfallten verletzt bzw. 30,7 Prozent getötet. Der Schluss, dass das Überqueren der Strasse ohne Fussgängerstreifen kaum gefährlicher ist als auf dem Fussgängerstreifen wäre allerdings falsch. Die Exposition, d.h. der Anteil derjenigen, die auf bzw. neben dem Streifen die Strasse überqueren, muss ebenfalls berücksichtigt werden. - l 0 bis 11 Prozent der Fussgänger verunfallen aufdem Trottoir oder sonst ausserhalb der Strasse. - Die weitaus meisten Fussgängerunfülle (87,3 Prozent) geschehen in Bereichen, in denen ein Tempolimit von 50 km/h oder weniger herrscht. 69,6 Prozent der Getöteten erleiden dort ihren Unfall. Daraus lässt sich ableiten, dass die Unfallschwere bei höheren Geschwindigkeiten an steigt. - Die Unfallhäufigkeit scheint gewisse saisonale Schwankungen aufzuweisen. November und De zember sind etwas gefährlicher als die übrigen Monate. Aufgrund der Unfallstatistik im In- und Ausland lässt sich der Schluss ziehen, dass ältere Menschen mehr Fussgängerunfälle erleiden als jüngere, und dass sie wesentlich häufiger an den Unfallfolgen sterben. Dabei haben Männer ein höheres Risiko eines tödlichen Fussgängerunfalls als Frauen. Laut Bundesanstalt :für Strassenwesen (BASt) sind nahezu die Hälfte aller getöteten Fussgänger in Deutschland über 65 Jahre alt. Ihr Anteil an der Wohnbevölkerung beträgt aber lediglich 15,7 Pro zent (DVR, 1984). In Holland waren gemäss Angaben des DVR (1988) 41 Prozent der getöteten Fussgänger über 60 Jahre alt, aber ihr Anteil an der Bevölkerung betrug lediglich 12 Prozent. SCHERER (1984) schreibt unter Berufung aufLIMBOURG & GODERBAUER (1978), dass bei über 65jährigen 18 Prozent aller Unfälle tödlich enden, wogegen es bei den 20- bis 65jährigen ledig lich 4 Prozent sind. In einer Literaturübersicht bezüglich Grossbritannien kommt das INSTITUTE FOR CONSUMER ERGONOMICS (1978) zum Schluss, dass das Mortalitätsrisiko älterer Fuss gänger 17,9 pro 100'000 Einwohner beträgt und damit ca. 13mal höher ist, als das von 30- bis 39- jährigen. Das Risiko :für Männer sehen sie als etwa l,5mal so gross an wie das :für Frauen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ältere Fussgänger häufiger in Unfälle verwickelt werden als es ihrem Bevölkerungsanteil entspricht, und dass sie ein dramatisch höheres Risiko eines tödli chen Ausgangs eines Verkehrsunfalls haben. Der tödliche Ausgang ist höchstwahrscheinlich eine Folge der grösseren gesundheitlichen Anfällig keit älterer Menschen. Ein vergleichbarer Unfall hätte bei einem jungen Menschen vermutlich weni ger gravierende Auswirkungen. Das Hauptaugenmerk der Präventionsarbeit muss sich also auf die Verringerung der Unfallbeteiligung älterer Menschen richten. (Author/publisher)

Request publication

2 + 6 =
Solve this simple math problem and enter the result. E.g. for 1+3, enter 4.

Publication

Library number
950903 ST [electronic version only]
Source

Bern, Schweizerische Beratungsstelle für Unfallverhütung BfU, 1994, 51 p., 41 ref.; BfU-Pilotstudie ; R 9431

Our collection

This publication is one of our other publications, and part of our extensive collection of road safety literature, that also includes the SWOV publications.